Tagebuch von Hitler-Vertrauten gefunden

von Gast Fr 14 Jun 2013, 12:34

Alfred Rosenberg gilt als der Chef-Ideologie der Nationalsozialisten und als enger Vertrauter von Adolf Hitler. Sein Tagebuch ist seit 67 Jahren verschollen. Jetzt soll eswieder aufgetaucht sein.

Über den Inhalt der Schrift ist noch nicht viel bekannt. Die etwa 400 Seiten seien aber "von beträchtlicher Bedeutung für die Erforschung der NS-Zeit einschließlich der Geschichte des Holocaust", wie das Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. mitteilte. Das Tagebuch werde eine "wichtige Informationsquelle" für Historiker sein. Bisher bekannte Dokumente würden "teils unterstützt, teils widerlegt" werden. YAHOO! hat den Berliner Historiker Arnd Bauerkämper um eine Einschätzung des angeblichen Sensationsfundes gebeten.

Herr Bauerkämper, angeblich wurde das Tagebuch eines engen Vertrauten von Adolf Hitler gefunden. Spätestens seit dem Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher ist man bei einem solchen Fund aber sehr skeptisch. Sie auch?

Richtig, man muss sich diese Schriften sehr genau anschauen, die Tinte, die Materialen eingehend prüfen. Und man muss die Dokumente inhaltlich prüfen, ob sie nicht irgendwo abgeschrieben oder selber zusammengeschrieben wurden, wie es bei den vermeintlichen Hitler-Tagebüchern der Fall war. Aber Teile des Tagebuches von Rosenberg wurden in den 50er-Jahren schon veröffentlicht. Man wusste also, dass es diese Schriften gibt. Sie haben bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen eine Rolle gespielt, galten aber seitdem als vermisst. Insofern ist schon möglich, dass wirklich neue Passagen aufgetaucht sind.

Wer war denn dieser Alfred Rosenberg?

Er stammt aus den baltischen Staaten und hat dort die kommunistische Revolution miterlebt. Er war darüber völlig entsetzt und kam zu dem Schluss, es sei eine jüdische Verschwörung. Er ist nach München geflohen, wo er schnell in rechtsextremistische Kreise geraten ist. Er stieß dann zur Deutschen Arbeiterpartei, dem Vorgänger der NSDAP, und traf dort auf den engeren Kreis Hitlers.

Also ein früher Wegbegleiter Hitlers?

Ja, Rosenberg war sehr früh in die Propaganda der Nationalsozialisten eingebunden. Er wurde 1923 Chefredakteur des NSDAP-Blattes „Völkischer Beobachter“ und hat dann 1939 das Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ geschrieben. Das Werk hat selbst Adolf Hitler als unlesbar bezeichnet. 1941 wurde Rosenberg Reichsminister für die besetzen Ostgebiete. In dieser Funktion war er maßgeblich an dem Massenmord beteiligt.

Wie nah stand er Hitler, wie wichtig war er?

Rosenberg hatte nicht die Stellung von Goebbels oder Himmler. Aber er war schon ein führender NS-Funktionär und ein einflussreicher Mann im unmittelbaren Umfeld von Adolf Hitler. Er war Hitler vor allem in ideologischer Sicht sehr nahe.

Inwiefern?

Er hat Hitler Ideen zugeliefert und hat dessen antisemitische und antikommunistische Einstellung beeinflusst. Auch hat Rosenberg Hitler in seinen Verschwörungstheorien immer wieder bestärkt. Er war also ein Unterstützer, kein, wenn man das überhaut so sagen kann, kreativer Kopf.

Und was passierte mit Rosenberg nach 1945?

Er wurde er in den Nürnberger Prozessen verurteilt und hingerichtet.

Und was geschah mit den Tagebüchern?

Ein Ankläger in dem Prozess gegen Rosenberg, Robert Kempner, hatte sie damals in seinem Besitz. Was nach dem Prozess mit den Schriften passiert ist, ist nicht ganz klar. Teile davon wurden wie gesagt vom Göttinger Historiker Hans-Günther Seraphime veröffentlicht.

Wie bewerten Sie nun diesen Fund?

Wenn die Dokumente wirklich echt sind, könnten sie weiter Auskunft geben über die Weltsicht dieses Mannes. Man wird vielleicht auch erfahren, wie Rosenbergs Verhältnis zu den führenden Nationalsozialisten war. Denn Rosenberg hat immer wieder mit Goebbels im Bereich der Propaganda um Kompetenzen gerangelt und sich mit Himmler über die Rassenpolitik gestritten.

Angeblich gibt Rosenberg in den nun gefundenen Dokumenten genau darüber Auskunft.

Das wäre natürlich interessant. Vor allem, wenn Rosenberg die Einträge spontan geschrieben hat und sie nicht, wie Goebbels, von vornherein zur Überlieferung an die Nachwelt gedacht waren. Dann könnten diese Dokumente wirklich einen tieferen Einblick in die Befindlichkeiten dieses Mannes und des Verhältnisses zwischen den führenden Nationalsozialisten geben.

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